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ALOISIUS - vom Fohlen zum Reitpferd

Ich ersteigere ein Fohlen

Auktionskatalog
Eine ganze Weile habe ich überlegt, was für ein Hengstfohlen es sein soll. Ein Warmblut? – Nein, zu dünn und zu hoch. Ein Pony? – Nein, obwohl auch Haflinger zu den Ponys zählen! Trotzdem zu klein. Ein Kaltblut? – Ja, die gefallen mir und die passen zu mir, ich bin schließlich kein Dünner! Es muss ja nicht gleich ein Oktoberfest-Pferd sein, es gibt auch durchaus elegante Kaltblüter, die sich gut zum Reiten eignen. Außerdem wollte ich Kutsche fahren und Holz rücken, eben alles was ein Kaltblut so kann. Auch bei den Kaltblütern gibt es wiederum viele verschiedene. Ein Mohrenkopfschimmel hätte mir gefallen oder auch ein schöner dunkler Schwarzwälder mit leuchtend heller Mähne...
Anja schlug vor, doch mal auf die Haflinger- und Kaltblut-Fohlenauktion in Traunstein zu schauen – nur informativ natürlich. Dort gäbe es das "Süddeutsche Kaltblut", ein echt bayerisches Pferd, passend zu mir (die österreichische Version nennt sich übrigens "Noriker"). Aber wie funktioniert so eine Auktion?


Haflinger- und Kaltblut-Fohlenauktion in Traunstein

So kompliziert ist das nicht, wenn man weiß wie so eine Auktion abläuft. Alle Fohlen waren aus diesem Jahr und zwischen 4 und 8 Monate alt. Der erste Blick sollte ins Internet gehen. Ich habe nach kurzem Suchen auf der Internetseite des Veranstalters, dem Pferdezuchtverband Oberbayern e.V., den Auktionskatalog gefunden, in dem alle zur Auktion stehenden Fohlen beschrieben sind; leider aber ohne Bild. Trotzdem kann man dort viel an Information herauslesen. Als Beispiel nehmen wir mal die Beschreibung von Loisl:

Katalogdaten von Loisl

Loisl hatte die Auktionsnummer 35, sie befindet sich als Plakette am Fohlen selbst und an der Stute. Ganz oben steht die Lebensnummer (als Chip im Pferd eingepflanzt), dabei steht das führende "DE" natürlich für Deutschland, das Geschlecht "Hengst" und das Geburtsdatum. Darunter folgen Farbe und Abzeichen. Ein Dunkelfuchs mit hellem Langhaar gefällt mir sehr gut. Das rechts stehende "SD.K" heißt Süddeutsches Kaltblut. Dann kommen Züchter- und Besitzeradresse. Darunter kommt der Stammbaum: Samuel und Messina sind z.B. die direkten Eltern von Loisl. Samuel ist ein Dunkelfuchs mit hellem Langhaar, im Hengstbuch I eingetragen und 1,67 m groß (Stockmaß). Messina ist als Dunkelfuchs beschrieben, ist eine Prämienstute mit Staatsprämie und 1,58 m groß. Mit angegeben sind Beurteilungs- und Zuchtwertnoten, die Profis einen gewissen Aufschluss über die Qualität des Elternteils geben. Im Auktionskatalog ist genau beschrieben, welche Abkürzung was bedeutet. Aus der Größe der Eltern lässt sich mutmaßen, wie groß das Fohlen mal werden könnte. Mir wurde auch gesagt, dass der Zeitpunkt der Kastration ein weiterer wichtiger Faktor für die Größe eines Hengstfohlens sei. Wartet man damit länger, wird das Fohlen größer und ich will doch ein großes Pferd.


Erste Präsentation um 9:00Uhr

Die Wahl fiel auf Loisl (der damals natürlich noch gar keinen Namen hatte, sondern nur die Nummer 35) weil er bei der Präsentation vor der Chiemgauhalle den schönsten Galopp hatte.

Nummer 35Rosette

Wir waren pünktlich um 9:00 Uhr mit einem dicken Geldbeutel und Pferdehänger angekommen. Kurz darauf begann die Präsentation. Auf einem abgesperrten Platz vor der Chiemgauhalle wurden die Stuten mit ihren angebundenen Fohlen nacheinander auf den Platz geführt. Zur Präsentation wird das Fohlen von der Stute getrennt. Die Stute wird dann im Trab geführt und das Fohlen wird von einem Treiber etwas angetrieben, damit man die Gänge begutachten kann. Zwei Runden um den Platz müssen reichen. Dabei wird das Fohlen von einer Jury bewertet. Das am höchsten beurteilte Fohlen jeder Kategorie erhält eine Rosette. Die Rosettenfohlen sind dann natürlich die begehrtesten und letztendlich die teuersten. Die Fohlen, die wir uns schon am Vortag aus dem Katalog herausgesucht hatten, erwiesen sich als Nieten. Aber die Nummer 35 wurde natürlich Rosettenfohlen und viele haben sich vorgenommen, dieses Fohlen zu ersteigern. Schlechte Karten für mich!
Als Neuling, der ich noch nie an einer Auktion teilgenommen hatte, war mir das Prozedere des Bietens nicht klar. Ich fragte daher im Büro des Veranstalters, wie man denn mitbieten könne? Die simple Antwort war: "Katalog hochheben und warten bis man den Zuschlag hat!" Naja, ganz so einfach sollte man sich das nicht machen. Ich brauchte eine Bietertaktik, aber welche? Und wie viel war mir dieses Fohlen wert bzw. wie viel durfte es mir wert sein?

Präsentation vor der Chiemgauhalle

Mitbieten ab 12:00 Uhr

Nach der Präsentation wurden alle Pferde in den Stall der Chiemgauhalle gebracht. In einem riesigen Gedränge konnte man sich sein Lieblingsfohlen noch mal aus der Nähe ansehen. Das Fohlen, das außer Loisl noch interessant gewesen wäre, hat mich dabei prompt gebissen. Mistvieh, dich ersteigere ich nicht! Also: Alles auf die 35! Ich hatte 2.500,- Euro dabei und war wild entschlossen, bis an die Grenze zu gehen. Ich durfte nur nicht vergessen, dass zusätzlich Steuern und Auktionsgebühren auf den Auktionspreis addiert werden. Mir war bewusst, dass es viele Bieter geben wird. Die Taktik, erst Desinteresse zu zeigen und im letzten Moment zu bieten schien mir gerade bei so vielen Interessenten nicht angebracht und zu unsicher. Denn würde ich meinen Katalog zu spät heben, dann wäre die Nummer 35 weg. Außerdem hätten die Mitbieter jede Menge Zeit zu überlegen, ob sie nicht doch noch ein bisschen mehr Geld ausgeben wollten. Nein, meine Taktik musste lauten: "Es hat gar keinen Sinn, dass ihr mitbietet, das Fohlen gehört mir, egal wie viel ihr bietet - gebt einfach auf!"

Auktion in der Chiemgauhalle

Auktion in der Chiemgauhalle

Gegen 11:30 Uhr begaben sich die Massen auf die Tribünen der Chiemgauhalle. Sie war an diesem Tag randvoll, die Sitzplätze reichten gar nicht für alle. Wir saßen genau in der Mitte, gegenüber dem Auktionator. Die Arena war mit Blumen geschmückt und der Boden mit Sägemehl bestreut. In der Mitte standen mehrere Biertische in einer Reihe. Auf ihnen standen Blumensträuße und Putzkästen mit Pferdeputzzeug für die erfolgreichen Bieter auf die Rosettenfohlen. Einleitend gab es echt bayerische Blasmusik, Alphornbläser und eine hervorragende Gruppe "Goaßlschnalzer". Zuerst wurden die Haflingerfohlen versteigert, dann kamen endlich die Kaltblutfohlen. Das Gebot begann bei 400,- Euro und wurde in 20,- Euro-Schritten erhöht. Der Durchschnittspreis lag bei ca. 700,- Euro.
Rote Jacke in der Chiemgauhalle
Dann kam die Nummer 35 und mir schien, als hebe der halbe Saal seinen Katalog hoch. Vorteil für mich, denn das hat schon mal einige abgeschreckt. Der Auktionator zählte so schnell, dass er nicht mehr zu verstehen war. Mir wurde heiß! Die sichtbaren Kataloge wurden immer weniger und schließlich kam der Spruch: "Zum Ersten …" Jetzt war ich dran! Katalog hoch, der Preis lag so ca. bei 900,- Euro. Es gab noch zwei Mitbieter. Wie sich später herausstellte, waren das wohl Züchter. Ihre Gobote kamen langsam, immer mit einer Pause. Meine Gebote kamen unmittelbar, ja blitzschnell auf ihre Gebote. Ich musste zeigen, dass es mir ernst war. Nur noch ein Mitbieter, der immer zögerlicher wurde: Nach einer Pause 1.040,- Euro von ihm, und sofort 1.060,- Euro von mir, wieder eine Pause und 1.080,- Euro von ihm, sofort kamen 1.100,- Euro von mir. "Zum Ersten, zum Zweiten und .... zum ....," unendliche Sekunden der Stille - und dann kam das erlösende ".... Dritten!" - "Für 1.100,- Euro an den Herrn in der roten Jacke!" Anerkennender Applaus, und die komplette Chiemgauhalle schaute auf mich. Warum musste ich nur ausgerechnet heute eine rote Jacke anhaben? Jetzt hätte er auch sagen können: "... an den Herrn mit dem roten Kopf!"



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